Die Chorherren der Kongregation vom Grossen St. Bernhard tranken heimlich
Ein Kanoniker vom St. Bernhard, Pierre-François Ballalu, führte ein Tagebuch über die Praktiken des Hospizes zwischen 1698 und 1718. Darin erfährt man, dass die Ordensleute dreimal täglich Wein trinken, um Mahlzeiten zu begleiten, die hauptsächlich aus Brot und Fleisch bestehen.
Auch während der Erholungszeiten und Zwischenmahlzeiten wird Wein konsumiert, da er in der rauen Umgebung als wichtige Energiequelle gilt.
Unerwünschte Portionen
Die erlaubte Weinmenge ist nicht geregelt. 1708 beschliesst der für das Hospiz zuständige Prior, dieser allzu freizügigen Praxis abzuhelfen und führt Zinnkrüge ein, die fünf gute Gläser Wein enthalten, sogenannte «Pintons». Jeder Kanoniker hat pro Mahlzeit Anspruch auf einen Krug. Diese Neuerung sorgt für Aufregung in der Gemeinschaft, doch der Brauch bleibt bestehen. Ausserhalb dieser festgelegten Zeiten ist der Konsum von Wein oder Spirituosen streng verboten. Dennoch weichen einige von den Regeln ab. Pierre-François Ballalu berichtet, dass die Kanoniker abends nach dem Gebet in ihren Zimmern zusammenkommen, um sich zu unterhalten und dabei Wein, Schnaps, Rossoli oder andere Liköre zu trinken, obwohl die Regel nach dem Abendgebet bis zum Morgengebet Stille vorschreibt.
Während Pierre-François Ballalu einige Missbräuche andeutet, erwähnt er jedoch nie Szenen von Trunkenheit oder Alkoholismus. Auch darf nicht vergessen werden, dass der Autor nicht neutral ist: Er prangert an, was er als Abweichungen betrachtet.
Quelle
MEILLAND Arnaud, «Die Trinksitten im Hospiz auf dem Grossen Sankt Bernhard» in Rebe und Wein im Wallis: die Geschichte von den Anfängen bis heute, Sierre-Salgesch, Walliser Reb- und Weinmuseum, Gollion, Infolio, 2010.